Saturday, September 19, 2009

Friedrich Althausen

Wieso Typografie? Wodurch erwachte Ihr Interesse an der Schriftkunst?

Bevor ich anfing, Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Uni zu studieren, hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht, wo die kleinen Schriften herkommen. Nach einigen Semestern mit Illustrationsschwerpunkt begann ich im Kurs von Gastprof Alex Branczyk und angestiftet von Mitstudenten wie Yanone, Schriftenerkennen-am-Wegesrand zu spielen und andere damit zu nerven. Von diesem Zeitpunkt an bin ich von der Schrift nicht mehr losgekommen. Ich finde, Schriftgestaltung ist die ureigentlichste Grafikkunst – es gibt nur Umriss und Form auf der Fläche, sogar die Farbe fehlt. Und Typografie, das sinnvolle Strukturieren von Text- und Bildebenen, ist der Kern Visueller Kommunikation.

Wer sind Ihre typografischen Vorbilder?

»Vorbild« ist ein sehr großes Wort. In meinem Studium hab ich mir aber ein paar Lehrer gesucht: Zum Beispiel Luc de Groot wegen seiner zeitgemäßen und zeitlosen Schriftgestaltung und seiner Detailversessenheit. Oder Friedrich Forssman wegen seines konsequenten und undogmatischen Umgangs mit Typografie.



Welches Buch zum Thema Typografie haben Sie zuletzt gelesen? Welches würden Sie weiterempfehlen?

Ich empfehle »Fraktur« von Albert Kapr. Wie ich finde, eine gute Zusammenstellung zu Geschichte und Formentwicklung der gebrochenen Schriften, die wegen ihrer intensiv-wechselvollen Geschichte und trotz ihrer ansprechenden Formen leider ein Nischendasein fristen.

Wenn Sie eine Schrift sein könnten, welche Schrift wären Sie gerne?

Meistens bin ich ganz und gar die Schrift, an der ich gerade arbeite. Also momentan eine schmale, kräftige Serifenschrift mit kursiven Einschlägen, tiefer Hüfte und winziger Versalhöhe.

Greifen Sie zu Beginn des Schriftschöpfens zur Feder oder zur Maus?

Meistens entstehen erste Skizzen auf dem Papier, gezeichnet mit dem Bleistift oder geschrieben mit Pinsel oder Feder. Mitunter zeichne ich mittelgroße Buchstaben mit Filzstift sauber auf. Nach den ersten Zeichen im Rechner bleibe ich wegen der praktischen Probedrucke am Rechner. Am allerwichtigsten sind die vielen Nächte, die ich über eine Schrift schlafen muss.

Mit welchen technischen Hilfsmitteln arbeiten Sie? Welchen Scanner, welchen Drucker, welchen Computer, welches Betriebssystem, welche Programme nutzen Sie?

Bleistift B2 auf 120 g gelblichweißem Skizzenbuchpapier. Canon Lite-Skänner. Weißer Apfelklapprechner mit OSX, FontLab und Adobe CS3. Ergänzend ein alter Röhrenschirm. Meine Maus ist vereinsamt, ich nutze Wacom Grafiktablett oder die rechnereigene Fingerfläche. HP Laserdrucker.

Sind Sie Messie oder Purist? Horten sich auf Ihrer Festplatte 2.456.891 Fonts oder sind Garamond, Bodoni, Frutiger und Futura mehr als genug?

Das Messi-ähnlichste ist, dass die Unmengen an Schriften schlecht sortiert sind. Denn wenn ich eine passende Schrift benötige, suche ich meist zuerst in meinem Kopf – für die meisten Anwendungen fällt mir etwas ein. Wie groß mein Kopffundus ist, wurde noch nie gemessen – so gesehen bin ich auch Purist.

Wenn Ihr Font-Ordner nur Platz für zehn Schriften hätte, welche wären das?

Bei dieser Einschränkung würde ich ausschließlich Textschriften wählen. Schrift für Plakate, Überschriften und kurze Texte sollte sowieso öfter mit der Hand geschrieben oder gezeichnet werden!

In Typo-Kreisen werden Comic Sans und Arial gebannt. Welche Schrift darf auf keinen Fall auf Ihren Rechner?

Zu Studienzwecken darf jede Schrift ein paar Byte meines Speichers borgen. Außerdem gibt es für fast jede Schrift eine berechtigte Anwendung. Manche Schriften hab ich mir übergesehen: Futura im gemischten Satz nervt, Arial muss nicht sein und Helvetica ist auch durch. Schriftenvielfalt erfreut mein Typografenauge.

Welcher Buchstabe ist Ihr Liebling? Mit welchem Buchstaben fangen Sie an, wenn Sie eine Schrift entwerfen?

Ich mag die komplexen Buchstaben wie a und g. Da kann man nicht so viel falsch machen. Viel schwieriger ist es, ein schönes s oder c zu zeichnen. Die Idee zu einer Schrift und ihre ersten Skizzen widme ich aber meist prägenden Buchstaben mit wiederkehrenden Formen wie h, d und e. Daraus leitet sich einiges ab.

Wie kamen Sie auf den Namen für Ihre erste erste Schrift?

Meine erste Schrift wurde als Brotschrift erdacht. Dunkel, kräftig und kernig. Im Umkreis dieses Begriffs kam irgendwann der Begriff ›Vollkorn‹ auf (im Gespräch mit Yanone).

Schmieden Sie Pläne für eine nächste Schrift?

Ehrlich gesagt schmiede ich schon eine ganze Weile. Als nächstes möchte ich erst einmal eine meiner fast fertigen Schriften veröffentlichen.

Haben Sie schon einmal einen Buchstaben in Stein gemeißelt?

Leider nein. Dafür kann ich ein Praktikum bei einem Schildermaler vorweisen. Der Umgang mit Pinsel und Malstock ist eine empfehlenswerte Kunst.

Vielen Dank für das Interview!

Ich bedanke mich!

Zur Person:

Friedrich Althausen wurde 1981 geboren. Nach dem Abitur absolvierte er ein Praktikum in einer Handweberei. An der Bauhaus-Uni in Weimar studierte er zunächst ›Mediensysteme‹, dann von 2003 bis 2008 ›Visuellen Kommunikation‹ (unter anderem bei: Stephan Eckel, Alex Branczyk, Jay Rutherford und Ricarda Löser). 2006 wechselte Althausen für ein Gastsemester an die FH-Potsdam und hörte bei Luc(as) de Groot, Betina Müller und Hans-Jürgen Willuhn. Beim Schrift- und Grafikmalermeister Norbert Gladis in Weimar leistete er 2007 ein Praktikum ab. Seine Diplomarbeit war die Buch- und Schriftgestaltung für den Knabe Verlag, Weimar. Seit 2008 ist Althausen freier Typograf und Schriftgestalter.

Schriften:

Vollkorn

Neuinterpretation der Typoart-Liberta